Neue Klangstrukturen
(Eine Abhandlung über die Entwicklung neuer Klangsynthesizer von Hagen Grabowski)
Um neue Klangstrukturen schaffen zu können, ist es erforderlich, bekannten Klänge zu analysieren, Wünsche zu definieren, was diesen Klängen fehlt und dann diese Klangergänzungen mit Hardware umzusetzen. Da wir von rein analogen Hardwaresynthesizern ohne Computertonerzeugung ausgehen, werden sehr hohe Anforderungen an die analoge Schaltungstechnik gestellt, da die Bauteile spannungs- und temperaturabhängig sind.
Auch wenn davon auszugehen ist, daß die Industrie nach Veröffentlichung dieses Artikels mit allen Mitteln versuchen wird, Computersynthesizer mit den hier beschriebenen analogen Zusammenhängen virtuell zu generieren oder nachzuempfinden, so werden diese Klangerzeuger nicht die Einzigartigkeit eines analogen Klangsystems nachbilden können, weil sie nur eine Simulation physikalischer und elektroakustischer Vorgänge sind und keine Erzeugung derartiger Schwingungen.
Die Erzeugung einer elektroakustischen Schwingung beruht auf einem Befehl zur Erreichung eines Tones, einem Einschwingvorgang mit Vorläufertönen und Oberwellen, dem Toneinsatz mit immer leicht modulierter Frequenz, der Energie mit ihrer Information über die Intensität und Klangfarbe des Tones, dem Tonverlauf und der Ausklang mit einer Übergangsphase zum nächsten Ton oder einer Pause.
Diese analogen Klangbestandteile sind sehr Komplex und beeinflussen sich gegenseitig.
Bei den meisten bekannten Analogsynthesizern wurden Vorläufertöne nur sehr selten erzeugt. Die Einschwingphase (Attack) bezog sich meistens nur auf das Klanggemisch vor dem VCF oder VCA. Bei der substraktiven Klangsynthese war nur über die Veränderung der Grenzfrequenz des VCF die Simulation eines Vorläufertones (z.B. Rauschen) möglich. Auf Grund der wegen der ADSR – Hüllkurve immer nur gleitend möglichen Formantenverschiebungen entstand zwar ein typischer Synthesizersound, doch entsprach dieser Klang selten dem Klangverlauf natürlicher Schwingungen oder klassischer Musikinstrumente.
Synthesizer mit additiver Klangerzeugung sind kaum in Erscheinung getreten, da diese Technik in Elektronenorgeln zur Genüge eingesetzt wurde und der Orgelsound insbesondere wegen seiner Polyphonie bekannt wurde.
Als Schlußfolgerung aus der Analyse der Klangstruktur analoger Synthesizer und vieler Elektrronenorgeln läßt sich ableiten, daß die Kombination oder Mixtur additiver und substraktiver Synthesetechniken zu einer Weiterentwicklung der klanglichen Möglichkeiten eines neuen analogen Synthesizers führen kann, wenn man zur Erzeugung von Schwebungen in einer Fußlage auf Choruseffekte verzichtet und an Stelle von Frequenzteilern Frequenzverdoppler einsetzt.
Warum Frequenzverdoppler ?
Der größte Hardwarevorteil der Elektronenorgeln waren ihre Frequenzteiler. Den größten Klangverlust brachten Elektronenorgeln ihre Frequenzteiler, weil sie Rechtecksignale mit synchronen Nulldurchgängen bei jeder Oktavteilung erzeugten, die es bei keinem Naturinstrument gibt. Wurden die Fußlagen einer Elektronenorgel zusammengemischt, so entstand je Taste immer nur 1 Ton mit unterschiedlichen Oberwellen, die immer synchron zueinander waren, also niemals ein Eigenleben entwickeln konnten. Bei keinem Naturinstrument oder natürlichem Klang sind jedoch die Oberwellen innerhalb eines Klanges eine mathematisch exakte Potenz der Grundwellenfrequenz oder besitzen einen konstanten Amplitudenverlauf.
Ein weiteres Problem der Rechteckteiler war deren hoher Anteil an nichtlinearen Oberwellen, die insbesondere im Bassbereich sehr schwer herauszufiltern waren. Man half sich zwar mit der Nachbildung von Sägezahnschwingungen durch Treppenspannungen, doch auch diese "Treppenstufen" beinhalteten im Bassbereich noch zu viele ungeradzahlige Oberwellen, die in dieser Stärke in keinem Naturinstrument vorkommen, weil tiefe Töne immer viel langsamer einschwingen, als Rechtecke, die theoretisch fast keine Einschwingzeit besitzen.
Frequenzverdoppler jedoch kann man relativ einfach aus Sägezahnschwingungen ableiten, die für den Bassbereich ideale Klangeigenschaften besitzen. Am Ausgang eines Frequenzverdopplers steht eine zweite Sägezahnschwingung zur Verfügung u.s.w.
Werden z.B. 2 VCO für die tiefste Oktave und 1 VCO für die Quinten als Basis für nachfolgende Frequenzverdoppler eingesetzt, so kann man auf 1 Europakarte gleichzeitig 9 Fußlagen mit spannungsgesteuerten und nicht synchronen Wellenformen erzeugen.
Eine andere Alternative wäre der Einsatz von 9 separaten VCO für einen monophonen Klang. Diese Variante wurde ebenfalls getestet und akustisch mit der Frequenzverdopplermethode verglichen.
Das Ergebnis zeigte keine wesentliche Klangverbesserung, jedoch einen erheblich höheren Hardware und Netzteilaufwand + viele Abgleichpunkte. Der Grund dafür liegt darin, daß Schwebungen in erster Linie bei den Grundwellen wichtig sind, denn Schwebungen simulieren die Resonanz eines Tones mit einem Klangkörper. Bei den Oberwellen hingegen ist der Lautstärkeverlauf wesentlich wichtiger für den Gesamtklang, als die Phasenlage zur Grundwelle.
Um die einzelnen Wellenformen zu einem Gesamtklang zu formen ist eine Unterteilung in mehrere dynamische Sektoren vor dem End – VCA am sinnvollsten.
Würden die einzelnen Fußlagen lediglich zusammengemischt, hätte man auch nur wieder ein ähnliches Klangbild wie bei Elektronenorgeln und müßte während des Spieles ständig die Reglern oder Zugriegel bedienen.
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